Kaleidoskop Leseanimation 5

30. Juni 2023


Wo Literaturvermittlung und Leseanimation entsteht

Koffer packen

Gerne lasse ich mir ein weiteres Mal über die Schulter blicken. Während ich mit meinem Beitrag «Suppe ist fertig» euch am Entstehen einer Buchstart Veranstaltung teilnehmen liess, findet heute Nachmittag ein Anlass anderer Art statt: Ich stehe vor dem Bücherregal in meiner logopädischen Praxis und begutachte einen umfangreichen Fundus an Büchern für das Kleinkindalter. Für den aktuellen Anlass gibt es im Vorfeld weder das Planen einer Animation noch Bastelarbeiten oder das Suchen nach passenden Versen und Reimen. Heute packe ich meinen Bücherkoffer und werde am Nachmittag für 1½ Stunden im Familien Café sein.

«Ich pack i min Koffer»: Vorbereitung

18 verschiedene Bücher wähle ich aus. Am Schluss muss ich alle Bücher wieder finden und schauen, dass keines vergessen geht. Da mein «Publikum» abhängig von Wetter, Mittagsschlaf oder sonstigen Aktivitäten ganz verschieden sein kann, plane ich, dass ich für jede Altersstufe etwas dabeihabe. Zudem nehme ich das von mir zusammengestellte Infoblatt, Flyer zur Leseförderung vom SIKJM in allen erhältlichen Sprachen und Hinweise zu bevorstehenden Buchstart und Gschichtezyt Anlässen in der Gemeindebibliothek mit.

Was hat sich als Bücher bewährt?

  • Pappbilderbücher: die Bücher müssen robust sein, da die Kinder sich die Bilderbücher auch selbständig aus dem Koffer holen und anschauen dürfen.
  • Etwa 3 Wimmelbücher: da gibt es viel zu entdecken! Ich kann dabei mein Sprachangebot sehr gut den Möglichkeiten (Alter, Spracherwerbsstand und Deutschkenntnisse) der Kinder anpassen und die Kinder können so lange verweilen, wie sie mögen.
  • Erstlingsbücher bei denen Geräusche / Tierlaute eine wichtige Rolle spielen: damit auch das jüngste Publikum in einen kurzen Genuss (so lange, wie es ihre Aufmerksamkeit zulässt) von einem Angebot kommen kann. Bewährt haben sich hier auch spontane Verse und Reime!
  • Bücher mit aufklappbaren oder «bespielbaren» Elementen: damit kann oft erfolgreich die Neugier geweckt werden.
  • Einfache Geschichten in Form von Reihengeschichten oder Suchgeschichten in einer Vielfalt von Illustrationen.
  • Bilderbücher, die ich inhaltlich sehr gut kenne und mir Spass beim Erzählen machen: damit ich die Flexibilität habe, mit den Kindern sehr spontan über das dialogische Lesen in eine Geschichte einzutauchen und sie begeistern kann!

Was hat sich nicht bewährt?

  • Zu textlastige oder komplexe Geschichten: Erfahrungsgemäss ist das Durchschnittspublikum zu jung dafür oder verfügt noch über zu wenig Deutschkenntnisse. Zudem kann im Raum ein wuseliges Treiben mit einem gewissen Lärmpegel und entsprechenden Ablenkungen entstehen.

Hintergrund zur Idee «Bücherkoffer»

Während die AG «Drehscheibe Bibliothek» fleissig am Projekt arbeitet, ist inzwischen in Thalwil die Fachstelle Frühe Förderung als eine Drehscheibe etabliert und sorgt für die Vernetzung aller Beteiligten im Frühbereich. Mit der Koordinatorin und der Mütterberatung durfte ich während meines Lehrganges am SIKJM ein Väterprojekt realisieren. Die Väter setzten sich mit dem Angebot von Bilderbüchern auseinander und erzählten ihren Kindern Geschichten. Beim letzten Anlass bot ich den Vätern und ihren Kindern meine Buchanimation an. Es war eine gelungene Animation, ABER die Ernüchterung unter den Vätern war gross: «Das schaffen wir nie so mit unseren Kindern!» – Da entstand die Idee des Bücherkoffers: Um Eltern Modell für das Erzählen zu sein, muss das spontane Vorlesen und das Buch selbst im Mittelpunkt stehen (ohne Vorbereitung von zusätzlichem Material, suchen nach Vers und Reimen etc.). Es soll eine Situation vermittelt werden, wie sie auch zuhause auf dem Sofa sein könnte. Anlässlich «Thalwil liest vor 2022» fanden zwei «Bücherkoffer» Angebote im Familien Café statt. Während einer Pilotphase von August bis Dezember erprobte ich die monatliche Durchführung und sammelte Erfahrungen. Ort der Durchführung war wiederum das Familien Café. Wie bei den Mitarbeitenden lief der «Bücherkoffer» unter Freiwilligenarbeit. Ich erhielt dafür Wertschätzung, glänzende Kinderaugen, gratis Kaffee und Kuchen und ein kleines Geschenk. Seit Januar 2023 werde ich nun für meine Einsätze entlöhnt. Der Flyer wurde inhaltlich angepasst und spannende Begegnungen finden nun monatlich statt. Dafür danke ich der Koordinatorin Frühe Förderung herzlich! Über die gute Vernetzung stossen Familien dazu, die den Weg in die Bibliothek bisher nicht gefunden hatten: Teilnehmende aus dem MuKi-Deutsch, Familien, welche die Mütter- und Väterberatung aufsuchen (die Beratung findet am gleichen Nachmittag in unmittelbarer Nähe statt…). Über den Parentu App werden registrierte Personen via push up Nachrichten informiert und die Mundpropaganda funktioniert ebenfalls.

Das Familien-Café

Im Familien Café können sich Familien mit Kindern treffen und austauschen. Eine Gruppe von Freiwilligen betreut das Café und sorgt mit selbstgemachten Kuchen für Verpflegung. Alles wird zum Selbstkostenpreis angeboten, es besteht keine Konsumationspflicht.

Einmal im Monat besuche ich das Familien Café und möchte eine Atmosphäre schaffen, analog der Sofasituation zu Hause: Während die Kinder spielen, sich die Mütter austauschen, biete ich zusätzlich meinen Bilderbuchschatz an, suche den Kontakt zu den Kindern und erzähle ganz spontan Geschichten. Ich möchte den Familien unkompliziert und alltagsnah das Vorlesen näherbringen, Freude an der Bücherwelt wecken, Erzählmodell sein und im Austausch die Wichtigkeit der frühen Leseförderung im Familienalltag herauszustreichen.