Il libro bianco


Praxis im Detail 100 / Mai 2023

Leseanimation für Kinder ab 2 Jahren mit dem Bilderbuch von Silvia Borando, Lorenzo Clerici und Elisabetta Pica, Minibombo Verlag, 2017

Das erste Mal habe ich dieses Buch für eine italienische Leseanimation im Rahmen von «Schenk mir eine Geschichte – Family Literacy» eingesetzt. Dieses Projekt möchte mehrsprachige Familien in der Lese- und Sprachförderung deren Kinder unterstützen. Anschliessend habe ich es für Buchstart-Veranstaltungen in deutscher Sprache angepasst. 

Ich bin ein grosser Fan der wunderbaren Bilderbücher von Silvia Borando. «Il libro bianco», übersetzt «Das weisse Buch», eignet sich hervorragend für eine sprachfördernde, interaktive und spielerische Leseanimation mit Kindern. Zum einen ist es ein Silent Book, das per se viel Spielraum für das dialogische Lesen lässt, zum anderen ist es eine Reihengeschichte, welche durch seine wiederholende Struktur es den vor allem jüngeren Kindern vereinfacht, die Geschichte zu verstehen und sich einzubringen. 

Einstieg

Nach unserem Begrüssungsritual mit der Musikdose und meinem Geschichtenzwerg steige ich direkt mit dem Buch in die Geschichte ein. Auf das weisse Vorsatzpapier folgt eine weisse Doppelseite, auf der wir in der linken unteren Ecke das Kind vom Cover wieder finden, mit einem grossen Farbroller (hier aber ohne Farbe) in der Hand,. Hier setze ich meine ersten Fragen ein und sammle Vorschläge der Kinder.Was hält das Kind in der Hand? Was macht man mit einem Farbroller? Ich habe einen solchen dabei und zeige es den Kindern. Was möchte das Kind malen? 

Nun benötigen wir Farben. Vorgängig habe ich in der Bibliothek sieben farbige Büchsen (grosse bemalte Yoghurtbecher) versteckt. In jeder Büchse befindet sich ein Wachsmalstift – oder Wachsmalblock in der gleichen Farbe. In der Geschichte werden diese Farben vorkommen. Ich fordere die Kinder auf, diese Büchsen suchen zu gehen.

 

Die farbigen Büchsen gehören zu unserer Spielbühne. Es werden nun alle Farben genannt und die Kinder zählen auf, welche Gegenstände oder Lebewesen sie in diesen Farben kennen. 

Um der Geschichte einen Rahmen zu geben, erzähle ich nun, dass dieses Kind, unser Protagonist, Mattia heisst und er in diesem Buch einen Freund zum Spielen sucht. Da die Seiten weiss und leer sind, brauchen wir die Farben, um zu entdecken, wer oder was sich hinter diesen Seiten verbirgt. 

Mattia wird nun zum kleinen Malermeister, welcher die Farben gut kennen muss. 
Wir singen ein passendes Lied dazu:

Überliefert. Neu arrangiert in «Luschtigi & gschaffigi Liedli», Dominique Huber

Hauptteil

Jetzt kommt die Farbe ins Spiel. Ich habe sieben Buchzeichen in den Farben, welche in der Geschichte vorkommen werden, der Reihe nach ins Buch gelegt. Ein Kind darf mit dem Schnürchen das erste Buchzeichen herausziehen und die Farbe nennen. Es ist z.B. pink. Ein weiteres Kind darf die entsprechende Büchse öffnen und den Wachsmalstift rausnehmen.

Im Buch beginnt Mattia mit der gleichen Farbe zu malen. Vorerst sieht man nur zwei Streifen. Bevor ich im Buch weiterblättere, darf ein Kind mit dem Wachsmalstift auf mein vorbereitetes Blatt malen bzw. rubbeln. Während des Malens singen wir das abgekürzte und leicht abgeänderte Lied des Malermeisters: 

Ich bin en Malermeischter und sueche mir en Gsell.
Wänn’s eine isch, wo spiele wett, dänn nimm’ne uf de Stell.
Wänn’s eine isch, wo spiele wett, dänn nimm’ne uf de Stell.

Wie ein Wunder erscheint ein Tier und zwar ein Vogel.

Wir blättern im Buch und sehen, dass auch da plötzlich durch das Malen weisse Vögel erscheinen. 

Mattia freut sich sehr darüber. Vielleicht hat er bereits nette Spielgefährten gefunden. Doch plötzlich fliegen die sechs Vögel einfach davon, verlassen das Buch und Mattia schaut ihnen enttäuscht hinterher. 

Wohin fliegen wohl die Vögel? Hatten sie eine eigene Geschichte im Buch? Hier kann man mit den Kindern die Fantasie walten lassen. Anschliessend folgt ein passender Vers dazu: 

Fingervers: Foif Spatze 

Foif Spatze sitzed nöch binenand so händ si warm, all mitenand. (die Hand spreizen)

  1. Plötzlich seit der erscht: adieu, adieu ich gha. (den Daumen biegen)
  2. De Zweit seit: wart, ich chumme n au, ciao ciao! (den Zeigefinger biegen)
  3. De Dritt haltet’s nümm uus und flüged us. (den Mittelfinger biegen)
  4. De Viert flattert au grad zum nöchschte Huus. (den Ringfinger biegen)
  5. De Foift ganz allei jammeret: He ihr, ich früür! 

Zwi zwa zwutt…und alli chömed zrugg! (alle Finger wieder strecken)

Oder es könnte auch ein passender italienischer Vers folgen:

Filastrocca: L’uccellin che vien dal mare

L’uccellin che vien dal mare
quante penne può portare?
Può portarne solo tre,
una per me, una per tee una alla figlia del re. 

Wir versuchen es mit der nächsten Farbe. Ein Kind darf wieder eine Farbrondelle aus dem Buch ziehen und dieses Mal ist es die Farbe Blau. Die Geschichte und unsere Aktivität dazu gehen nun mit dem gleichen Muster weiter.Ein Kind darf aus der blauen Büchse den Wachsmalblock rausfischen, das dazu gehörende Rubbelbild malen und als rhythmisierendes Element singen wir alle das abgekürzte Lied des Malermeisters. Im Buch malt Mattia auch mit der blauen Farbe weiter und es erscheinen wieder Tiere. Dieses Mal sind es Fische, wie auf unserem Rubbelbild. Aber auch diese werden durch die Farbe sozusagen animiert und verlassen das Buch. 

Wo schwimmen sie hin? Was haben sie wohl erlebt? Wir singen ein passendes Lied dazu:

Drü chlini Fischli

Drü chlini Fischli schwümed is Meer.
S Mami sait: Ich chume nöd mit.
Ich blibe lieber dihei im grüene Teich,
will im Meer, da häts en Hai und de macht:
Schnapp, schnapp, schnabedi, schnabedi,
schnapp, schnapp, schnapp, schnapp,
schnabedi, schnabedi… 

Quelle: rirarumm.ch/dru-chlini-fischli

Mattia versucht sein Glück mit weiteren Farben und erlebt so einiges. Er entdeckt einen grünen brüllenden Dinosaurier, der ihm Angst einflösst. Einen viel zu grossen grauen Elefanten, der in fast zerdrückt. Eine gelbe freche Giraffe, welche ihn in die Luft herumwirbelt. Einen unverschämten violetten Ameisenbären, welcher seinen Farbroller fressen möchte.

Beim Elefanten und der Giraffe folgen diese Verse:

Kniereiter: Elefant

En chline Elefant- fant -fant
i sim graue Gwand Gwand Gwand
hät ä dicki Huut Huut Huut
trompetet scho ganz luut luut luut
uf sim Rüssel sitzt ä Muus Muus Muus
plötzli rutscht sie is Huus Huus Huus.

www.vers-und-reim.net, abgeändert von Giuseppina Santoro

Spielvers: Grossi Tier
Eis, zwei, drü und vier
Ich gseh es grosses Tier
Foif, sächs, sibe und acht
Grad namal es grosses Tier
Nün, zää, elf und zwölf
Scho wieder es grosses Tier
Eis, zwei, drü grossi Tier
Händs Rüssel, sinds Elefante
Händs langi Häls, sinds Giraffe
Oder beides – dann sinds eifach grossi Tier

Von Mark Wetter, in der Gedichtsammlung „Tschäderibumm“

Am Schluss haben wir nur noch die Farbe Orange übrig. Wird es dem armen Mattia noch gelingen, einen Freund zu finden? Die Kinder sind an dieser Stelle ganz gespannt, denn wir haben nur noch eine letzte Möglichkeit. Alle spekulieren ganz eifrig, wen Mattia als idealen Spielpartner entdecken könnte. Und die Kinder sind natürlich ganz erleichtert, als es am Schluss doch noch klappt. 

Abschluss

Als Abschluss singen wir ein Lied und verabschieden uns mit meiner Ritualfigur. Je nach Veranstaltungsform haben die Kinder jetzt noch die Möglichkeit mit den Wachsmalblöcken weitere Rubbelbilder zu malen.

Rubbelschablonen

Die Rubbelschablonen zu jedem Tier aus dem Buch habe ich mit flüssigem Weissleim gebastelt. Mit dem Leim wird das Motiv gezeichnet, anschliessend lässt man es gut trocknen und schon hat man eine eigene Rubbelschablone. 

Gerade für jüngere Kinder ist das Malen von Rubbelbildern eine faszinierende und gut auszuführende Aktivität, welche ich sehr gerne anbiete. Im Handel kann man Rubbelplatten mit verschiedenen Motiven aus Plastik kaufen. Ansonsten sind auch Münzen oder Baumblätter als Rubbelunterlage spannend. 

Der Verlag Minibombo bietet für seine Bilderbücher jeweils Ideen für weiterführende Aktivitäten unter „vai al minisito“: https://www.minibombo.it/giochiamo_con/il-libro-bianco/

Der Vorschlag zu diesem Buch: Vor der Geschichte faltet jedes Kind mit Hilfe der Begleitperson aus Zeitungspapier einen Malerhut und gestaltet ihn nach Lust und Laune.