Unerwartete Perspektiven

18. Dezember 2018


Meine diesjährige Weihnachtstrouvaille ist – wie unoriginell – ein Buch! Vielleicht nicht für Miniknirpse wie meist an dieser Stelle, sondern etwas grössere Kinder und alle Jungebliebenen.

Beim täglichen Zugfahren eingeklemmt zwischen dicken Jacken und unförmigen Taschen hat mir „Das letzte Schaf“ bereits auf den ersten Zeilen ein Schmunzeln entlockt. Bis Basel war das Büchlein zu Ende gelesen und ich um viele eigenwillige Überlegungen zur Weihnachtsgeschichte reicher. So etwas passiert, wenn ein Autor wie Ulrich Hub sich einen Perspektivenwechsel erlaubt. Oder haben Sie schon mal überlegt, wie sich das nächtliche Treiben aus Sicht der Schafe zeigt? Ohne dass es je explizit wird, wissen wir spätestens ab der zweiten Seite, dass es sich um die Weihnachtsgeschichte handelt. Von ihren Hirten verlassen macht sich eine ziemlich verrückte, um nicht zu sagen etwas einfältige Schafherde auf den nächtlichen Weg zum Stall. Dort soll ein süsses Baby liegen und es zudem Leckerlis geben. Doch kaum losgelaufen, geht das erste schon verloren. Das Ganze ist wunderbar doppelbödig, mit viel Sprachwitz geschrieben und begleitet von Illustrationen, die uns zusätzlich schmunzeln lassen.

Und wie es eben ist, wenn man eine schöne Lese-Entdeckung macht: frau erzählt anderen davon. In diesem Fall einem Arbeitskollegen. Dass dessen theologisch bewanderte Partnerin darauf gleich zur kreativen Umsetzung der einzelnen Schafe schreitet und ein Adventsgeschenk für ihr Patenkind entsteht, spricht doch Bände für die Kraft von Geschichten. Und für eine vergnügliche Adventszeit beim Vorlesen sowieso.

Bild zVg. Monika Wilhelm

Und wer weiss, was diese verrückten Schafe in der Perspektive des Kindes sonst noch so alles erleben werden?
Barbara Jakob

Ulrich Hub
Das letzte Schaf
Mit Illustrationen von Jörg Mühle
Carlsen 2018
80 Seiten
ISBN 978-3-551-55384-3